op. 89 Crucifixus - Stabat Mater-Mediatation
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Komponiert 1974 als „Klage des Sohnes um die tote Mutter“
Schon 1973 entstand das Crucifixus op. 88, eine Meditation für großes Orchester, als Auftragskomposition der Heimatstadt des Komponisten. Vor 31 Jahren, nach dem Tod seiner Mutter, erweiterte Max Baumann es, setzte es für Sopran, Chor und Orchester und bezeichnete es als Stabat-Mater-Meditation, als die es sich durch die nun erfolgte hörbare Textierung klar zu erkennen gibt. Das der Mutter gewidmete erneuerte Werk wurde ihr Requiem. Während der Text des Stabat-Mater aber die Klage der Mutter über den Tod des Sohnes zum Inhalt hat, bedeutet er für Max Baumann die Klage des Sohnes um die tote Mutter. Gleichwohl hat das Werk aufgrund seines gehaltvollen Textes und aufgrund der jedem Menschen verständlichen Trauer allgemeine Gültigkeit, die über seine biographisch bedingte Entstehungsgeschichte hinausweist. Der erste von einem Dutzend unmittelbar aufeinander folgender und miteinander verwobener Sätze verarbeitet nach düsteren Karfreitagsklängen des kurzen Orchestervorspiels eine gregorianische Melodie, das Crucifixus des aus dem 15. Jahrhundert stammenden IV Credo der Editio Vaticana. Dessen Abschnitt mit dem Text „Passus et sepultus est“ („hat gelitten und ist begraben worden“) zitiert seinerseits als melodisches Zitat im Zitat den Beginn der aus dem 13. Jahrhundert stammenden Sequenz „Dies irae“ des gregorianischen Requiems, das im Messbuch von 1970 nicht mehr enthalten, keineswegs aber aus der Liturgie verbannt ist. » hören Dem frei komponierten zweiten Satz, einem Sopransolo, liegen Verse des Stabat-Mater, nicht aber deren gregorianische Weisen zugrunde. Erstmals erklingt hier das öfter wiederkehrende Solo der vom Komponisten geliebten Oboe, eine Reminiszenz der Orgelsuite op. 67, 1 (1962). Der dritte Satz gestaltet das Wort Crucifixus mit einem frei gestalteten Gesang, vorgetragen vom Frauenchor; das Sopransolo, begleitet vom Leitmotiv der Oboe, wählt den Vers des Stabat-Mater, der das Wort „Crucifixus“ enthält; schließlich nimmt der gemischte Chor den gregorianischen Crucifixus-Gesang wieder auf, der dann mit weiteren Versen des Stabat-Mater wechselt. Als vierter Satz erklingt die aus einem schlichten Dreiklangsmotiv frei komponierte Sopran-arie über den Text der Bitte „Sancta Maria', die Bernardin von Siena dem „Ave Maria" im 15. Jahrhundert beifügte. Mit der Wahl dieses Textes empfiehlt sich Max Baumann - nach dem Tode seiner leiblichen Mutter - der Mutter des Herren. Die Rufe „Passus" und „Crucifixus“ des Chores (6. Satz) erinnern an die schreiende Volksmenge, die einst den Kreuzestod des Heilands forderte. Nach einem längeren Orcherterzwischenspiel aus den zuvor exponierten Motiven (7. Satz) erklingt ein längerer Chor (8. Satz), in welchem Verse des Stabat-Mater abwechselnd in kantabler Polyphonie und in rhythmisch-deklamatorischer Homophonie vertont werden. Die Wiederkehr der abschließenden Bitte des Ave Maria (9. Satz) und des varierten zweiten Satzes (10. Satz) mit der Gregorianik des ersten Satzes scheint zusammen mit den wiederkehrenden Themen und Motiven eine Bogenform anzudeuten. Diese Hörerwartung wird aber durch den erregten Orchestersatz mit Sprechchor getäuscht, der den Turbochor-Eindruck des 6. Satzes bis zur Ekstase steigert (11. Satz). » hören Eine abgeklärte Passacaglia über das gregorianische Crucifixus, die sich allmählich in immer kürzere heterogene Abschnitte auflöst (12. Satz), bringt weitere Stabat-Mater-Verse, u. a. auch denjenigen, welcher die Hoffnung auf das Paradies ausdrückt, und einen anderen, der den alten Text mit dem Amen beschließt. Letztes Wort des Werkes aber ist „Crucifixus", gesungen vom Chor als kurzes Melodiezitat des gregorianischen Agnus Dei der Totenmesse, dann noch einmal als Deklamation, gehaucht vom Solosopran. In Cruce salus, im Kreuz ist Heil. Diese Hoffnung auf Erlösung wird durch einen schwebenden Schlussklang versinnbildlicht, vielleicht als unaufgelöster Vorhalt eines ersehnten Schlussakkordes, als Mischklang oder als Ableitung aus einem komplexen Gebilde übereinander geschichteter Terzen gedacht. Albert Richenhagen |
Uraufführung: 27. Oktober 2007, Berlin
Aus dem Konzert-Programm
Titelseite der Partitur mit Widmung |
Crucifixus des aus dem 15. Jahrhundert stammenden IV Credo der Editio Vaticana |
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Das Manuskript der Partitur von Crucifixus op. 89 befindet sich in der Staatsbibliothek zu Berlin. |
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Einsatz des Chores |
Besetzung: 2 Hörner in F Pauken Harfe Sopran Solo Chor (SATB) I Violine Aufführungsdauer: ca. 40 Min. Verlag: Max-Baumann-Gesellschaft (2005) MB 019 Einige Seiten aus dem Neudruck: Hörbeispiele:
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